Gate Gourmet – die nächste Runde
Tarifverhandlungen bei Gate Gourmet Deutschland geraten in kritische Phase - nach drei Jahren.
Gate Gourmet – die nächste Runde
Jetzt sind die anderen Standorte dran
Aus historischen Gründen existiert der Airline-Caterer Gate Gourmet in Deutschland gleich zweimal: die Firma Gate Gourmet West, zu der die Düsseldorfer Filiale gehört, die durch den sechsmonatigen Streik von Oktober 2005 bis April 2006 bekannt wurde. Und die Firma Gate Gourmet Deutschland, zu der fast alle übrigen Filialen gehören: die beiden großen in Frankfurt-Zeppelinheim und München, kleinere in Hamburg, Berlin, Stuttgart, Saarbrücken und Hannover. Während die Firma West, die aus der LTU-Tochter LTC entstand, in den Organisationsbereich der Gewerkschaft NGG fällt, werden die übrigen Standorte von ver.di organisiert. Die meisten von ihnen sind die ehemaligen Flugküchen der skandinavischen Airline SAS und wurden in den neunziger Jahren von der Swissair-Tochter Gate Gourmet übernommen. Nun gehören sie zwar alle zum selben Konzern, und dieser wiederum dem Finanzinvestor Texas Pacific Group – aber mit dem gemeinsamen Widerstand gegen die massiven Angriffe auf Lohn und Arbeitsbedingungen klappt es nicht.
Als die KollegInnen in Düsseldorf ein halbes Jahr lang mit ihrem Streik dem Finanzinvestor die Stirn boten und von dessen Rechtsanwalt, Herrn Leuchten, als kleines „gallisches Dorf“ verspottet wurden, liefen auch Tarifverhandlungen zwischen ver.di und Gate Gourmet. Besser gesagt, sie liefen nicht, sondern waren auf Eis gelegt. Seit drei Jahren ist der alte Tarifvertrag ausgelaufen, aber ver.di hoffte, die Bedingungen für die dort bereits Beschäftigten durch die „Nachwirkung“ des Tarifvertrags besser sichern zu können, als durch Verhandlungen oder gar Streik, bei denen das Risiko bestand, letztendlich schlechter dazustehen. Die Erfahrung aus Düsseldorf schien das zu bestätigen. Trotz sechs Monaten Streik mussten dort Verschlechterungen hingenommen werden. Dann lieber wegducken und nichts tun. Wer sich als erster bewegt, hat verloren. Nach diesem Motto versucht heute jeder, seine Haut zu retten. Aber ausruhen konnte sich ver.di auf der Nachwirkung auch nicht. Denn sie gilt nicht im Falle von Neueinstellungen. Gibt es nur Nachwirkung und keinen gültigen Tarifvertrag, dann steht es dem Unternehmer frei, mit den Neuen außertarifliche Arbeitsverträge abzuschließen, in die er all das reinschreiben kann, was er ohnehin gern durchsetzen will. In der letzten Zeit ist das immer öfter der Fall, wie Betriebsräte aus Frankfurt-Zeppelinheim berichten.
Also führt doch kein Weg an Tarifverhandlungen vorbei. In denen hat die Texas Pacific Group durch ihren Anwalt einen Manteltarif vorgelegt, der von den KollegInnen die ganzen schon aus Düsseldorf bekannten Zugeständnisse fordert:
* Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden – ohne Lohnausgleich, versteht sich;
* Verzicht auf drei Urlaubstage;
* die Hälfte des 13. Monatsgehalts wird nur noch erfolgsabhängig gezahlt – da die Firma mit der Übernahme durch die TPG hoch verschuldet wurde, dürfte es kein Problem sein, die Gewinne dahinter zu verstecken und wegen "schlechter Ertragslage" nur noch das halbe Weihnachtsgeld zu zahlen;
* die Zeiten, für die Zuschläge gezahlt werden, werden eingeschränkt (z.B. Nachtschichtzuschläge erst ab 23 Uhr);
* der besondere Kündigungsschutz für langjährig Beschäftigte soll wegfallen, denn:
* mit der auch hier vorgesehenen Absenkung der Einstiegslöhne lohnt es sich erst recht, die Alten rauszuschmeißen und Neue einzustellen.
ver.di hat nachgerechnet: "Selbst bei vorsichtigen Berechnungen und nur der schlimmsten Einschnitte würden z. B. die Beschäftigten in Ffm.-Zeppelinhm., dem größten Standort in Deutschland, im Monat durchschnittlich über 300 Euro an Einkommen verlieren. Viele von ihnen könnten dann nicht mehr den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien finanzieren" (aus der Pressemitteilung zu den Tarifverhandlungen am 14.2.07).
Für den Verhandlungstermin am 14. Februar in Frankfurt, Neu-Isenburg, kündigte ver.di eine Demonstration von Beschäftigten an und drohte für die Zukunft mit Warnstreiks: „Bald Passagiere ohne Essen und Getränke?“ Am 14. gab es aber noch keinen Warnstreik. Beschäftigte waren aufgerufen, in ihrer Freizeit die Verhandlungsdelegation am abseits gelegenen Verhandlungsort zu empfangen. Nur wenige Arbeiter fanden den Weg zu dem neben dem Flughafen mitten in einer Baustelle gelegenen Tagungsort. Bei den flexiblen Arbeitszeiten und versetzten Schichten sagt dies nicht unbedingt etwas über die Stimmung im Betrieb aus.
Die anwesenden Kollegen aus der einige Kilometer entfernten Filiale in Zeppelinheim berichteten, dass auch bei ihnen der Anteil an Leiharbeitern und Aushilfen enorm erhöht wurde. Bei etwa 400 Beschäftigten insgesamt sind bereits 94 Leiharbeiter im Betrieb, und weitere studentische Aushilfen. Die LeiharbeiterInnen verdienen mit knapp 7 Euro pro Stunde etwa drei Euro weniger als die Festangestellten an vergleichbaren Arbeitsplätzen; StudentInnen bekommen noch weniger. Der Betriebsrat versucht, den Einsatz von Leiharbeitern auf dem Rechtsweg zu bremsen. Durch seine Einsprüche nach dem Betriebsverfassungsgesetz hat er das Unternehmen gezwungen, für die Weiterbeschäftigung der LeiharbeiterInnen vors Arbeitsgericht zu gehen – in 94 Fällen. Nächste Woche findet der erste Termin statt.
Für die Festangestellten bedeutet der Einsatz von Aushilfen zusätzlichen Stress, denn sie müssen sie anleiten, kontrollieren und für deren Fehler gerade stehen. Gleichzeitig haben sie den Eindruck, dass Gate Gourmet versucht, KollegInnen loszuwerden, die länger als zehn Jahre im Betrieb sind. Wie in Düsseldorf (siehe die genaue Darstellung im Buch „… auf den Geschmack gekommen. Sechs Monate Streik bei Gate Gourmet“) wurden in Zeppelinheim die Arbeitsabläufe vereinfacht, sodass Neue sie schnell lernen können. Auch hier wurden in der Produktion die Bänder abgeschafft und Einzeltische aufgebaut, an denen die ArbeiterInnen besser kontrolliert werden können. Die Berichte der Kollegen klingen teilweise fast wörtlich wie die Berichte aus dem Düsseldorfer Betrieb. Bei der Überwachung der ArbeiterInnen in der Produktion, d.h. der Bestückung der Tabletts mit Essen, hat sich ein Chef in Zeppelinheim etwas besonderes einfallen lassen. Er stellte eine der fahrbaren Leitern mit Plattform, die normalerweise dazu dienen, Sachen aus den Hochregalen zu holen, mitten in der Produktion auf. Von diesem "Hochstand" aus überwacht er dann die Arbeit – bis die KollegInnen, auch hier hauptsächlich Frauen, es sich nicht mehr gefallen ließen. „Mittlerweile herrscht hier ein richtiger Krieg“, kommentiert einer der Kollegen, die zum Verhandlungsort gekommen sind.
Die Kollegen aus Zeppelinheim, mit denen wir gesprochen haben, versuchen, sich nicht gegen die Leiharbeiter aufhetzen und ausspielen zu lassen. Sie sehen sie als KollegInnen, die in noch schwächerer Position sind. Wie in Düsseldorf ist hier übrigens die Zeitarbeitsfirma Mumme im Geschäft, und es werden gerne MigrantInnen eingestellt, die noch wenig Sprachkenntnisse und Erfahrung in diesem Land haben. Bei allem Verständnis für die Probleme der LeiharbeiterInnen sprechen die Kollegen aber auch das Problem an, dass diese ihnen bei einem möglichen Streik in den Rücken fallen könnten. Schließlich konnten sie das in Düsseldorf aus der Ferne beobachten, und ein Kollege, der die Streikenden am Düsseldorfer Flughafen besucht hat, hat deren Ohnmacht angesichts des Streikbruchs noch gut in Erinnerung. Ein Streikbruch, zu dem sie anfangs selbst beigetragen haben: Aus der unit Zeppelinheim wurden Fahrer nach Düsseldorf geschickt. Es gab mit der Zeit zunehmend Weigerungen, sich als Streikbrecher herzugeben. Aber der Fahrer, der am 18.11.2005 (also nach sechs Wochen Streik) rabiat in eine Blockade der ArbeiterInnen in Düsseldorf reingefahren ist, kam aus Zeppelinheim – er sei aber auch bei ihnen ein sehr unbeliebter Kollege.
Jetzt wird auch in Zeppelinheim über Streik gesprochen. Die Wut über die Zumutungen ist groß und Kollegen fragen: "Wann gehen wir endlich raus?" Um die Dramatik der Entwicklung in den Verhandlungen zu unterstreichen, hatte ver.di für den 14.2. nicht nur die kleine Verhandlungskommission, sondern die komplette Tarifkommission mit Vertretern aus den verschiedenen Standorten nach Frankfurt einberufen. Nur sie könnte das Scheitern der Tarifgespräche beschließen und damit den Weg für Urabstimmung und Streik freimachen. Noch kam es dazu am Mittwoch nicht, die Gespräche wurden ohne nennenswerte Annäherung auf den 26. Februar vertagt.