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London-Heathrow: Wir werden weiterkämpfen!

erstellt von Rasender Reporter zuletzt verändert: 27.08.2006 10:21

Zum Jahrestag brachte „Skyport“, ein Werbeblättchen, das am Flughafen Heathrow kostenlos verteilt wird, am 11. August 2006 den folgenden Artikel, der die Entwicklung und die aktuelle Situation im Gate-Gourmet-Konflikt gut zusammenfasst.

Ein Jahr, nachdem die Firma Gate Gourmet hunderte ihrer ArbeiterInnen am Flughafen Heathrow entlassen hat, besuchte Aidan Jones noch einmal die Menschen, deren Leben davon betroffen war und die immer noch geloben:

Wir werden weiterkämpfen

Nichts erscheint ungewöhnlich an der Gruppe von Frauen mittleren Alters aus dem Punjab, die im Wohnzimmer von Parmjit Bains’ Haus in Harlington ihren Tee schlürfen. Sie sind in ihre farbenprächtigen indischen Gewänder (salvar kameezes) gekleidet, und ihre sanften Stimmen werden von dem Geplärre des Bollywood-Film aus dem Fernseher in der Ecke fast übertönt.

Aber vor genau einem Jahr wurden diese Frauen überraschenderweise zu Hauptakteurinnen in einem der bittersten industriellen Konflikte der letzten Jahre, nachdem die in Schwierigkeiten geratene Catering-Firma Gate Gourmet Hunderte von ihnen gefeuert hatte. Die Gepäckabfertiger der British Airways, von denen viele derselben Gewerkschaft angehören und in denselben Stadtteilen Westlondons leben, schmissen in einem Sympathiestreik für die gefeuerten ArbeiterInnen die Arbeit hin und legten damit den Flughafen Heathrow mitten in der sommerlichen Hochsaison lahm.

Auf dem Beacon Hill in der Nähe des Hauptsitzes der Firma begann sofort ein lautstarker Protest. Es war ein farbenprächtiges Durcheinander von Turbanen, Fahnen und Transparenten. Der Hügel war bevölkert von „Tanten“ („Auntyji’s“), die vorbeifahrende LKWs der Firma auspfiffen und beschimpften. Dieses Bild hatte wenig mit den üblichen Streikposten der weißen Arbeiterklasse zu tun und lockte Dutzende von Fernsehteams an. Für die Linke wurde der Konflikt schnell zu einer zentralen Angelegenheit. Sie protestierte gegen die Aushöhlung der Rechte von schlechtbezahlten und geringqualifizierten ArbeitsmigrantInnen.

Aber als die BA-Maschinen wieder flogen, wurden die Kameras eingepackt und die öffentliche Unterstützung für die gefeuerten ArbeiterInnen ging nach und nach zurück. Im September einigte sich die Gewerkschaft T&G (Transport & General Workers Union) mit Gate Gourmet über ein Kompromissabkommen. Etwa einem Drittel der Streikenden wurde die Wiedereinstellung garantiert, und allen wurde ein freiwilliges Ausscheiden gegen Abfindung angeboten – außer 144 „Unruhestiftern“ („troublemakers“). Sie sollten unter keinen Umständen wieder in die Firma kommen und nur dann eine Abfindung erhalten, wenn sie schriftlich auf eine Klage gegen die Firma verzichten würden.

Für die Firma war damit ein Schlussstrich unter diese dreckige und beschämende Episode gezogen. Aber für diejenigen, die sich weigerten zu unterschreiben, war die Auseinandersetzung damit nicht beendet, und sie beherrscht weiter ihr Leben. Sie fühlen sich immer noch von ihrer Gewerkschaft im Stich gelassen und von der Firma, für die sie viele Jahre gearbeitet haben, zu Sündenböcken gestempelt.

Es ist sowohl ein Kampf um Prinzipien wie um Geld und Arbeitsplatzsicherheit geworden, der dem Ansehen von Gate Gourmet in den Augen einiger sehr geschadet hat.

„Das war ein sehr hartes Jahr“, sagt Parmjit Bains, 42-jährige Mutter eines Kindes und früher Packerin in der Firma. Nachdem sie ihren Job verloren hatte, musste sie sich finanziell einschränken, und konnte keinen Job mit den Arbeitszeiten finden, die sie braucht, um sich um ihre dreijährige Tochter Manjot zu kümmern. Im Januar wurde ihre finanzielle Situation noch schlechter, nachdem die T&G die Auszahlung des Härtefallgelds von 52 Pfund pro Woche eingestellt hatte, weil die Auseinandersetzung angeblich abgeschlossen sei.

„Mein Vater hat mir mit einem Kredit geholfen, aber es ist schwierig mit dem Einkommen von nur einem Elternteil auszukommen. ... Ich bin immer noch wütend und völlig überrascht, dass ich als ‚Militante’ bezeichnet werde, nachdem ich elfeinhalb Jahre für sie gearbeitet habe.“ Und sie ergänzt: „Nur wenige Monate vorher hatten sie mir eine Auszeichnung für zehn Jahre gute Arbeit verliehen, wie können sie mich da plötzlich als ‚Unruhestifterin’ bezeichnen?“

Im November soll vor dem Arbeitsgericht darüber entschieden werden, ob Parmjit und Dutzende andere gefeuerte ArbeiterInnen gerecht behandelt wurden. Sie könnten Schadensersatz, Nachzahlung von Löhnen oder sogar ihre Jobs wieder bekommen.

Aber die Vorgänge seit dem 10. August werden immer noch diskutiert und haben sich auf das Ansehen der Firma, aber auch auf das der Gewerkschaft ausgewirkt. Gate Gourmet machte damals riesige Verluste, etwa 25 Mio. Pfund pro Jahr, und stellte einen Sanierungsplan auf, der die Streichung von Arbeitsplätzen und veränderte Arbeitsweisen vorsah. Die Firma behauptet, die T&G habe den geplanten Veränderungen zugestimmt, um den kompletten Untergang der Firma zu verhindern. Aber in einer Abstimmung im Juni sprach sich die überwältigende Mehrheit der 2000 Beschäftigten gegen den vorgesehenen Arbeitsplatzabbau aus.

„Am 10. August brachte die Firma viele Leiharbeiter herein, aber uns hatten sie gesagt, wir würden unsere Jobs verlieren, weil sie es sich nicht mehr leisten könne, uns zu beschäftigen. Daher konnten wir es nicht hinnehmen, dass sie neue Leute hereinbrachten“, sagt die ehemalige Packerin Lakhinder Saran. Gate Gourmet beharrt darauf, dass die Leiharbeiter nur die üblichen Saisonarbeiter für die sommerliche Hochsaison waren. Aber weil sie fürchteten, die Firma betreibe ein abgekartetes Spiel mit ihnen, kamen die ArbeiterInnen der Frühschicht zu einer improvisierten Gewerkschaftsversammlung in der Kantine zusammen, um über ihre nächsten Schritte zu diskutieren. Gate Gourmet behauptete, es handele sich um einen ohne Abstimmung begonnenen und daher illegalen Streik, und forderte die Beschäftigten unter Androhung von Entlassung auf, zur Arbeit zurückzukehren.

Andere, die von dem ausgebrochenen Konflikt im Firmengebäude nichts wussten, kamen wie üblich zur Arbeit und wurden von Securitykräften abgewiesen. „Mir wurde gesagt, wenn ich arbeiten wolle, müsse ich auf der Stelle den Sanierungsplan unterschreiben. Aber ich hatte ihn noch nicht einmal gelesen und konnte ihn daher auch nicht unterschreiben.“ „Andere Frauen bettelten darum, an ihre Arbeitsplätze gelassen zu werden, aber ihnen wurde gesagt, sie sollten gehen“, ergänzt Parmjit.

An diesem Abend erhielten Hunderte von Beschäftigten persönlich zugestellte Kündigungsschreiben – selbst diejenigen, die sich während der Eskalation im Urlaub befanden oder krank waren. „Ich denke, die Firma hatte geplant, dass es an diesem Tag passieren sollte“, sagt Mohinder Virk, die sechs Jahre für die Firma gearbeitet hat. „Sie hatten die Briefe gedruckt, zusätzliche Securitykräfte waren da und sogar die Personalabteilung war früher als üblich besetzt.“ Gate Gourmet bestreitet diese Beschuldigungen, aber die Gerüchte trugen zur Verhärtung des Konflikts in den folgenden Monaten bei. Gegen ehemalige ArbeiterInnen, auch gegen Lakhinder, wurden einstweilige Verfügungen erlassen, mit denen sie aus der Nähe des Firmengeländes verbannt wurden.

In der Zwischenzeit wurden Hunderte Leiharbeiter über die Firma Versa Logistics, die von Gate-Gourmet-Direktoren gegründet worden war, in die Firma geholt, um die Verträge mit den Fluggesellschaften erfüllen zu können. Schon Monate vor dem Augustaufruhr waren sie sicherheitsüberprüft worden, was einige vermuten lässt, dass sich die Firma auf einen Arbeitskonflikt gut vorbereitet hatte.

Im Februar wurden dann Beschäftigte von Versa plötzlich wieder entlassen, als diejenigen, die das Kompromissabkommen unterschrieben hatten, wieder an ihre Arbeitsplätze kamen.

Derweil musste sich die T&G den Vorwurf machen lassen, sie habe mit dem Abkommen viele ihrer zahlenden Mitglieder verraten. Diese Beschuldigungen nahmen dem anfänglichen Triumphalismus der T&G seinen Glanz, aber die Gewerkschaft erklärt, um so viele Arbeitsplätze wie möglich zu retten, habe sie nicht anders gekonnt.

Bis jetzt sind 290 zu Gate Gourmet zurückgekehrt, auch wenn sie für die Dauer des Konflikts keinen Lohn bekommen. Über 420 haben die Abfindung genommen, aber etwa 90 halten daran fest, ihre Jobs einzuklagen.

„Die Firma und die Gewerkschaft haben gemeinsame Sache gemacht. Das wurde uns klar, als sie die zwangsweise Abfindung der 144 vereinbarten“, sagt Lakhinder. Die geschassten ArbeiterInnen wurden von Gewerkschaftsanwälten gedrängt, die Abfindung zu nehmen. Sie wurden sogar zu Hause angerufen, um ihnen zu sagen, dass sie das Arbeitsgerichtsverfahren nicht gewinnen könnten. „Aber wir bezahlen sie, nicht Gate Gourmet. Sie sollten uns nicht im Stich lassen“, fügt Lakhinder hinzu.

Wie es aussieht, werden T&G-Anwälte einige Mitglieder vor dem Arbeitsgericht vertreten müssen; die übrigen haben sich eigene Anwälte auf der Basis von „no win no fee“-Verträgen genommen (in England übliche Honorarverträge mit Anwälten, bei denen der Anwalt nur dann vom Mandanten bezahlt wird, wenn er den Fall gewinnt).

Trotz ihrer Hartnäckigkeit war es eine sehr belastende und aufzehrende Zeit für die ausgesperrten ArbeiterInnen. Viele müssen ihre Familien ernähren und Hypotheken abzahlen, während es schwierig ist, vergleichbare Jobs in dieser Region zu finden. Aber sie sind überzeugt davon, dass sie ihr Recht bekommen und einen symbolischen Sieg für alle ArbeiterInnen erringen müssen.

Auch von der Punjabi-Gemeinschaft in den Westlondoner Stadtteilen Southall, Hayes und Hounslow sind sie stark unterstützt worden. Und trotz all der entmutigenden Treffen mit Rechtsanwälten, hat die Geschichte zu einem Stück Ermächtigung beigetragen. Parmjit, die zur Sprecherin der Gruppe geworden ist, hat ihr verborgenes Talent im Umgang mit den Medien entdeckt, sie erschien im August in Dutzenden von Fernsehberichten und lief an der Spitze der wiederholten Demonstrationen durch Southall. „Mein Temperament hat mich ermutigt, bis dahin hatte ich noch nie von einer Bühne gesprochen“, erklärt sie. „Ich musste das einfach tun. ... Als ich meinen Job verlor, hätte ich heulen können. Aber vom ersten Tag an war mir klar, dass mir niemand helfen würde, wenn ich aufgäbe. ... Ich musste für meinen Job und für meine Selbstachtung kämpfen. ... Es ist wichtig, dass wir gewinnen, um den Firmen zu zeigen, dass sie die ArbeiterInnen nicht behandeln können, wie sie gerade wollen. Und ich denke, wir werden gewinnen.“

Die Gate-Gourmet-ArbeiterInnen werden am Sonntag, den 20. August, ihre erste Jahrestagsdemonstration durchführen, um 13 Uhr ab der Beresford Road in Southall. Nach der Demonstration wird es Essen und Unterhaltung geben.

 Demo London-Southall 20. August 2006




















Bilder von der Demonstration zum 1. Jahrestag des Kampfs bei Gate Gourmet Heathrow-South durch Southall am 20. August 2006

Demo London-Southall 20. August 2006




















Demo London-Southall 20. August 2006

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